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Lars David Kellner: Franz Liszt - Harmonium Works Vol. 4

Lars David Kellner, Harmonium

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Liszt Harmonium Works Vol 4 CoverEs ist Lars David Kellners großes Verdienst, in drei jeweils CD-starken Volumes Liszts Auseinandersetzung mit dem Harmonium versammelt und in feinen Interpretationen vorgestellt zu haben. Er hat, als sein erstes Volume 2021 erschien, wohl noch nicht abgesehen, dass dieser Teil des Lisztschen Œuvres auch noch ein viertes Volume ergeben würde. Inzwischen ist, dank Kellners unermüdlicher Recherche und überzeugender Darstellung, sogar auch das Material für eine weitere, fünfte Folge identifiziert…

Sämtliche in dieser vierten Einspielung versammelten Werke sind dementsprechend, so weit bekannt, Ur- oder Ersteinspielungen, fast alle sind Varianten, Skizzen, Studien zu Stücken, die bereits in Kellners Volumes 1 bis 3 eingespielt wurden. Neu hinzugekommen sind das erst 2021 von der britischen Liszt Society veröffentlichte Manuskript »L’Angélus ›La cloche sonne‹« S. 663c sowie zwei Transkriptionen von Verdi (»Agnus Dei della Messa da Requiem di G. Verdi« S. 675c) und Mozart (»Ave verum von W. A. Mozart« S. 674e). Über Herkunft und Einordnung der einzelnen Stücke dieses vierten Bandes soll an dieser Stelle nicht viel gesagt werden: Kundig und ausführlich geben im umfangreichen Beiheft Minkyu Kim (The Liszt Society, UK) und Stefanie Harnisch (Klassik Stiftung Weimar) über Entdeckungen und Wiederentdeckungen im schriftlichen Nachlass Auskunft. Die Lektüre des Booklets sei daher unbedingt und nachdrücklich empfohlen, nicht zuletzt auch wegen Lars David Kellners Einlassungen zum Thema ›Liszt und das Harmonium‹.

Nach der »Via Crucis«, deren Harmoniumversion das Volume 3 bildete, enthält Volume 4 wieder ein breiteres Repertoire, dessen Zentrum drei Angelus-Vertonungen bilden. Für Liszts Arbeitsweise (aber hier auch für Kellners Fähigkeiten als Interpret) mögen die rahmenbildenden Versionen 1 und 4 (S. 672c,i und iv) weitere aufschlussreiche Beispiele darstellen; Struktur und Taktart unterscheiden sich deutlich, folgerichtig unterschiedlich auch Kellners Registrierung und Darstellung. Eine feine Neuentdeckung das Angelusläuten in »La cloche sonne« S. 663c. Anhand des Manuskripts konnte das Stück jüngst nicht nur als eigenständiges Harmoniumwerk, sondern auch als Bearbeitung einer Melodie identifiziert werden, die Liszt von einer französischen Baronesse erhielt (Mitteilung Minkyu Kim). Bisher unbekannt auch die ergreifende, Liszts Suche nach einer neuen Tonsprache verdeutlichende »Lento«-Skizze zur »Via Crucis«, ein Nachtrag zum Volume 3 aus dem Weimarer Liszt-Nachlass (Mitteilung Stefanie Harnisch). Nobel und orchestral präsentiert Kellner das Harmonium in den Bearbeitungen von Mozart (S. 674e) und Verdi (S. 675c): Belege dafür, dass das Harmonium keineswegs nur in Sack und Asche gehen muss. Gleiches gilt auch für den in vollem orchestralen Ornat (vielleicht etwas zu gemessen) schreitenden »Papst-Hymnus« (S. 261, altern. Fassg.). Aus Liszts mehrfachen Bearbeitungen des »Ave maris stella« und »O sacrum convivium« präsentiert Kellner hier jeweils eine überzeugend interpretierte Fassung, sowohl spieltechnisch (anspruchsvoll das »Ave maris stella« S. 668a, 1. Fassg.) als auch klanglich (»O sacrum convivium« S. 674a,ii).

Liszt Harmonium Works Vol 4 Booklet Foto
Lars David Kellner nähert sich auch diesmal Liszts Werken respektvoll und umsichtig. Das breite Farb- und Ausdrucksspektrum seines Mannborg-Saugwindharmoniums führt er von karger, verhalten innerlicher Einstimmigkeit bis zum triumphalen Plenum, von italienischem Schmelz bis zur resignierten Klage – mitunter auch innerhalb eines und desselben Werks (etwa »Angelus!« S. 672c,iv). Man gewinnt spätestens mit dem dritten Stück (Verdis »Agnus Dei«) den Eindruck, Kellner sei mit diesem vierten Band ein noch einmal subtilerer Zugang zur Tonsprache in Liszts Harmoniumwerken gelungen als in den vorangegangenen. Klang- und Tonumfang und Spielwind des Instruments weiß Kellner ausdrucksstark und sehr differenziert zu nutzen, ohne doch den Effekt um seiner selbst willen zu suchen. Akrobatisch ist sein Spiel gleichwohl: Das hier präsentierte Ergebnis der Arbeit an und mit Klaviatur, Registern, Bälgen und Kniehebeln des Instruments erfordert großes Können, das Kellner gemäß Liszts Forderung allein in den Dienst des musikalischen Ausdrucks stellt. Erfreulich, nebenbei, dass man Meister und Instrument gelegentlich auch arbeiten hört; ein Beleg für die besondere, die authentische Tätigkeit beider und die Beherrschung des Instruments in der bewussten Hervorbringung an ihm in seinem konkreten Charakter. Dergleichen ist auf künstlichem Wege nicht herzustellen, wie denn das gelungene Kunstwerk ohne Rest nicht zu teilen und eben auch nicht schlackenlos ist.

An dieser Stelle muss auch das Lob an Tonmeister und Instrumentenbauer noch einmal ausdrücklich wiederholt werden, die in ihren Metiers zum Gelingen des Ereignisses beitrugen. Nicht geringen Anteil an diesem glücklichen Zusammenwirken haben auch Minkyu Kim (The Liszt Society) und Stefanie Harnisch (Goethe- und Schiller-Archiv der Klassik Stiftung Weimar). Die Gelegenheiten, die hier versammelten Werke in konzertanter Aufführung zu hören, dürften sozusagen in dritter Potenz selten sein: Liszt wird schon nicht allzu häufig aufgeführt, seine geistlichen Werke noch weniger und nun erst recht jene für Harmonium… Umso dankenswerter und erfreulicher ist es deshalb, wenn Archive und Forschungseinrichtungen dazu beitragen, einer breiten Öffentlichkeit diese Werke zugänglich zu machen – und dass es Künstler wie Lars David Kellner gibt, die sie dazu ermuntern. Im Ergebnis ist Lars David Kellners Volume 4 der Einspielungen des Lisztschen Harmoniumwerks ein in jeder Hinsicht neue Maßstäbe setzendes Ereignis. – MS 


... Video: L’Angélus ’La cloche sonne’ S. 663c von Franz Liszt – Lars David Kellner, Harmonium

... Lars David Kellner im Gespräch

... zur Vorstellung von Volume 1

... zur Vorstellung von Volume 2

... zur Vorstellung von Volume 3

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