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Ein Gedankenaustausch auf Schloss Schillingsfürst

Vier Liszt-Orte beraten über Kooperation

Vor zehn Jahren begann die Geschichte der Liszt-Akademie am Liszt-Ort Schloss Schillingsfürst; mit Beginn des Jubiläumsjahres lautet nun ihr voller Titel »Liszt Akademie der Neuen Liszt Stiftung Weimar auf Schloss Schillingsfürst«. Was 2012 auf Initiative von Rolf-Dieter Arens in Schillingsfürst seinen Anfang nahm, ist um seinen Kern herum, nämlich den Meisterkurs Leslie Howards mit internationalen Liszt-Preisträgern, inzwischen ansehnlich gewachsen. So stellte der Künstlerische Leiter Florian Glemser in diesem Jahr das 5. Liszt Festival mit einem guten halben Dutzend Veranstaltungen auf, an dessen Ende die Überreichung der Marie-zu-Hohenlohe-Medaille durch Constantin Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst an vier junge Meisterpianisten stand. Eingerahmt wird das Liszt Festival über’s Jahr von Klavier- und Kammermusikabenden, Vorträgen und einem jährlichen »Geburtstagsständchen« am Ehrentag des Meisters Franz Liszt.

Man sieht sich inzwischen – Dank der kontinuierlichen Zusammenarbeit und Unterstützung durch diese – als »Außenstelle« der 2006 an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar ins Leben gerufenen Neuen Liszt Stiftung (NLS) – und tatsächlich erfüllt die NLS einen ihrer wesentlichen Stiftungszwecke, nämlich der Förderung junger Talente auf dem Weg ins Konzertleben, unter anderem mit dem Meisterkurs Leslie Howards und den Darbietungen der Kursteilnehmer auf Schloss Schillingsfürst. Zu den Protagonisten dieser Zusammenarbeit, Rolf-Dieter Arens, zugleich Vorsitzender der NLS, und Meisterpianist und Liszt-Forscher Leslie Howard, zählt insbesondere Constantin Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der Schloss Schillingsfürst durch Veranstaltungen und Kooperationen vielfältiger Art als Liszt-Ort ins Bewusstsein gehoben und fest etabliert hat.

 

Seiner Initiative ist es auch zu danken, dass im Jubiläumsjahr und im Rahmen des diesjährigen Liszt Festivals auf Schloss Schillingsfürst ein Gedankenaustausch zwischen Vertretern verschiedener Liszt-Orte – Budapest, Raiding, Schillingsfürst, Weimar – zu den Perspektiven künftiger Zusammenarbeit stattfand. (*)

Die einleitende Bestandsaufnahme ergab dreierlei: Zum einen sind die genannten Liszt-Orte (und das dürfte auch für andere, heuer nicht vertretene Orte gelten) in ihrer Ausrichtung, ihrem Selbstverständnis und dem Charakter ihrer gesetzten und/oder selbstgesetzten Aufgaben höchst unterschiedlich – dies wäre eine eigene Untersuchung und Diskussion wert. Zum zweiten hat es in der Geschichte der Liszt-Orte und ihrer besonderen Institutionen (die ja meist bis ins ausgehende 19. Jahrhundert zurückreicht) zwar immer wieder Kooperationen und gemeinsames Tun gegeben, jedoch handelte es sich meist um vereinzelte, oft bilaterale Projekte, die kaum nachhaltig oder beispielgebend ausstrahlten. Auch jüngst ist eine derartige Zusammenarbeit selten zu finden, und wo sie etwa stattfindet, bleibt sie oft auf den jeweiligen nationalen Rahmen und auf wenige, in der Regel nur zwei Partner beschränkt.

Diese Situation mag vor allem der Geschichte und der institutionell-rechtlichen Verfasstheit der Institutionen an den verschiedenen Liszt-Orten geschuldet sein. In ihren Aufgaben jedoch unterscheiden sich diese Institutionen recht wenig: nämlich Pflege, Erforschung und Vermittlung von Liszts Leben und Werk mit unterschiedlichen Kontexten und Schwerpunkten. Ähnlichkeiten weisen auch ihre Zielgruppen auf: Neben dem professionellen Fachpublikum und seinem Nachwuchs in Kunst und Wissenschaft ist es eine breite interessierte Öffentlichkeit, an die sie sich durch kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte und Festivals, Preise und Stipendien, museale und wandernde Ausstellungen, Führungen, Besichtigungen und Vorträge usw. wenden. 

In einer historischen Lage, in der Bedeutung und Anerkennung (inter-) kultureller Arbeit tendenziell zwar wachsen, die dafür bereitstehenden Mittel aber auf absehbare Zeit knapper werden dürften, sollte man sich auf diese Gemeinsamkeiten besinnen: Darin, drittens, war man sich im Schillingsfürster Gedankenaustausch einig.

 

Apropos Liszt-Orte: Wollte man alle Orte Europas so bezeichnen, an denen sich Franz Liszt mehrmals oder über längere Zeit aufgehalten hat – ihre Zahl wäre bereits unüberschaubar. Zu den Liszt-Orten wären vielmehr solche Orte zu zählen, an denen man Liszts Andenken regelmäßig und institutionell pflegt – unabhängig von der biographischen Rolle des Orts; kommt, wie bei den hier vertretenen, eine solche jedoch hinzu, umso besser.

Liszt-Orte weisen zudem häufig mehrere Institute auf, die sich mit Liszts Leben und Werk befassen (wie wiederum an den vier vertretenen leicht zu zeigen wäre): Museen, Denkmaleinrichtungen, Archive und Bibliotheken, musikwissenschaftliche und/oder künstlerische Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen, Festivals, Konzertsäle und Bühnen, Gesellschaften und Vereine.

Was einerseits als Vielstimmigkeit der Interessen, institutionellen Aufgaben und Abhängigkeiten beachtet werden muss, muss andererseits auch als Chance genutzt werden: Bündeln von Ressourcen, Schaffen von Synergien, Verbreitern der Wirkung. (In der lokalen Kooperation an den jeweiligen Liszt-Orten selbst gibt es dafür ja bereits gute Beispiele.) Manches bisher unrealisiert gebliebene Projekt ist möglicherweise als überregional-gemeinsames doch ins Leben zu rufen. Ein regelmäßiges, auf Dauer angelegtes Gesprächsforum der Liszt-Orte wäre dazu eine wichtige Voraussetzung.

 

Rolf-Dieter Arens (Weimar) regte an, Schillingsfürst solle anlässlich des gegenwärtigen Jubiläumsjahres anderen Liszt-Orten jährliche Treffen mit dem Ziel eines konstruktiven Gedankenaustausches vorschlagen. An diesen Zusammenkünften solle ein über einen längeren Zeitraum hinweg stabiler Personenkreis teilnehmen, um Kontinuität zu gewährleisten. Die Tagungen könnten sinnvollerweise reihum in den beteiligten Liszt-Orten stattfinden. Auch sollten die Gespräche unter dem Aspekt geführt werden, Ideen für gemeinsame Projekte nicht nur zu entwickeln, sondern auch konkret auf den Weg zu bringen.

Eine der ersten Aufgaben des vorgeschlagenen Gremiums soll darin bestehen, einer stärkeren Vernetzung im Informationsaustausch und in der Öffentlichkeitsarbeit vorzuarbeiten. Dazu müssten personelle und informationelle Plattformen geschaffen bzw. ausgebaut werden, die über andere Liszt-Orte regelmäßig und aktuell informieren. Auf Anregung von Zsuzsanna Domokos (Budapest) sollen die Websites der kooperierenden Einrichtungen eine spezielle Plattform erhalten, auf der wichtige Ereignisse, Nachrichten und Neuheiten der Partner vorgestellt werden. 

Ein konkretes Feld der Kooperation der Liszt-Orte sah der Gesprächskreis in der Nachwuchsförderung – eine gemeinsame Priorität der vertretenen vier Liszt-Orte. Manfred Fuchs (Raiding) hatte in diesem Zusammenhang schriftlich bereits konkrete Pläne für Raiding benannt (»Offensive zur Jugendförderung«, Kooperation mit Schulen, Gesprächskonzerte, Workshops); auch Zsusanna Domokos (Budapest) konnte von speziellen Aktivitäten in der Jugendförderung berichten (Familientage, Vorträge, Bastelworkshops, Zeichenwettbewerb). Das diesbezügliche Engagement Schillingsfürsts, hier vertreten durch Hans Emmert, war in den Tagen des Meisterkurses ohnehin offenkundig. Darüber hinaus erhalten Nachwuchskünstler vor Ort Auftrittsmöglichkeiten, und schließlich ist Schillingsfürst auch in regionalen Schulprojekten engagiert. Weimar bietet vor allem den dortigen Studenten in verschiedenen Kooperationen Konzerterfahrung: Die Klassik Stiftung Weimar, das Liszt-Zentrum der Hochschule und die Liszt-Gesellschaft mit den »Weimarer Liszt-Tagen« bemühen sich um junge Künstler. Nachwuchsförderung schließlich ist auch wesentlicher Zweck der Neuen Liszt Stiftung Weimar. 

In diesem Sinne schlug Rolf-Dieter Arens vor, die »Europäische Liszt-Nacht«, die alle drei Jahre kurz hintereinander in Weimar, Bayreuth, Utrecht und Budapest stattfindet, auf Schillingsfürst als vierten Austragungsort auszudehnen. In der »Europäischen Liszt-Nacht« treten die Preisträger der drei Internationalen Liszt-Klavierwettbewerbe Budapest, Utrecht und Weimar/Bayreuth in einem gemeinsamen Konzert auf.

Nun ist es an den Beteiligten, in ihrem jeweiligen Umfeld Überzeugungsarbeit zu leisten und erste Ideen und Initiativen Realität werden zu lassen. Vor allem aber ist zu wünschen, dass der in Raiding (*) begonnene und in Schillingsfürst fortgesetzte Gedankenaustausch zu einem Nukleus für gemeinsame Plattformen und Kooperationen der europäischen Liszt-Orte wird.

 

Links

https://www.liszt-akademie-schillingsfuerst.de/liszt-festival

https://lisztmuseum.hu/news/the-liszt-ferenc-memorial-museum-and-research-center-participated-in-an-international-meeting-124098

https://www.lisztverein.at/2022/04/06/ausstellung-von-liszt-bildern-in-der-liszt-bibliothek-raiding/ 


(*) In Raiding hatte ein Gespräch bereits im April 2022 stattgefunden (dort noch ohne Weimarer Beteiligung); zur Schillingsfürster Runde hatte der Raidinger Obmann Manfred Fuchs schriftlich beigetragen.